PMS oder PMDS? Wann Zyklusbeschwerden professionelle Hilfe brauchen
Ein Interview mit Martina Gstöhl-Mathies
In diesem Artikel sprechen wir über die Abgrenzung des bekannten prämenstruellen Syndroms (PMS) zum PMDS, also einer prämenstruellen dysphorischen Störung. Ich habe hierfür mit Martina Gstöhl-Mathies gesprochen, einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit eigener Praxis in der Ostschweiz.
Martina hat sich spezialisiert auf die Arbeit mit Frauen mit psychischen Problemen rund um Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach. Zu ihr kommen Frauen, die vorher noch nie psychische Symptome hatten oder die bereits eine bekannte Erkrankung haben, die sich in dieser Lebensphase intensiviert. Häufig sieht sie auch Paare und sie bietet auch Sexualtherapie an. Martina ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Wenn Frauen psychologische Hilfe benötigen
Josianne: Liebe Martina, ich freue mich so, dass du Kontakt zu mir aufgenommen hast und wir uns über das Frau-Sein, den Zyklus und die Zeiten, in denen es beschwerlich ist, austauschen. Du bist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und hast dich auf Frauenthemen spezialisiert. Magst du mal erzählen, mit welchen Herausforderungen Frauen zu dir in die Praxis kommen?
Martina: Grundsätzlich kommen in meine Praxis Frauen mit psychischen Belastungen. Diese können neu aufgetreten sein oder schon länger bestehen. Diese sind so stark, dass sie die Kriterien einer Krankheit erfüllen und daher behandlungsbedürftig sind. Oft ist die Kombination von Psychotherapie und medikamentöser Therapie notwendig, um eine rasche Besserung erreichen zu können.
Da ich mich auch auf den Bereich Gynäkopsychiatrie spezialisiert habe, sehe ich häufig Frauen mit stark ausgeprägten psychischen Schwankungen im Zusammenhang mit ihrem Monatszyklus oder mit Symptomen wie Ängsten oder Depressionen rund um eine Schwangerschaft oder in der ersten Zeit danach. Manchmal bestehen auch grosse Belastungen aufgrund eines unerfüllten Kinderwunschs oder von Schicksalsschlägen in der Schwangerschaft oder rund um die Geburt wie zum Beispiel Fehlgeburten, Früh- oder Totgeburten.
Josianne: In meiner Arbeit als Zykluscoach ist das prämenstruelle Syndrom (PMS) auch immer wieder ein grosses Thema. Es stösst bei den Frauen immer auf grosses Interesse, weil viele davon betroffen sind. Die meisten Frauen kennen die miese Laune vor der Mens, das Unausstehlich-Sein und die Selbstzweifel.
Martina: Ja, auch ich merke, dass Symptomschwankungen im Zusammenhang mit dem Monatszyklus immer mehr Beachtung finden. Sowohl bei den Frauen als auch bei Behandlern der verschiedenen Berufe.
Wenn der prämenstruelle Sumpf zu einer echten Belastung wird
Josianne: Doch was genau ist der Unterschied zwischen PMS und PMDS, also einer prämenstruellen dysphorischen Störung? Gibt es klare Kriterien, die festlegen, ab wann es zu sumpfig und zu beschwerlich ist, um alleine wieder rauszukommen?
Martina: Ja, die gibt es. PMDS bedeutet, dass neben körperlichen Beschwerden auch eine dysphore Stimmungslage vorhanden sein muss. Das bedeutet, dass die Stimmung so gedrückt ist, dass während der besagten Zeit die Kriterien einer depressiven Erkrankung erfüllt sind, die Symptome jedoch meist mit dem Einsetzen der Regelblutung oder kurz danach wieder völlig verschwinden. Wenn die Belastung(en) durch die Symptome zu gross sind, dann rate ich dazu, sich mit einer Fachperson auszutauschen. Das kann primär die Gynäkologin sein oder eben eine psychologisch geschulte Fachperson.
Josianne: Kannst du uns einen Einblick geben, was denn dann Inhalt der Therapie ist? Geht es dann auch darum, den eigenen Zyklus zu beobachten, mit seinen Kräften hauszuhalten und Selbstfürsorge zu betreiben, was ja eigentlich alle Frauen durch ein zyklisches Leben mehr und mehr in ihren Alltag integrieren? Wodurch unterscheidet sich die Therapie bzw. ist es eventuell auch angezeigt, medikamentös zu behandeln? Kommen auch Antidepressiva zum Einsatz?
Martina: Wie du richtig sagst, bildet das «zyklische Leben» eine Basis, die bereits eine Entlastung im Alltag, aber auch hinsichtlich der Symptome und deren Begleiterscheinungen (das wären zum Beispiel innerfamiliäre Konflikte) bringen sollte. Sehr häufig ist dies jedoch nicht ausreichend. Wir können dann unterstützend auf pflanzliche Präparate zurückgreifen (allen voran Mönchspfeffer) und diese durch andere Substanzen, von denen wir wissen, dass sie guttun (zum Beispiel Omega-3-Fettsäuren, Vitamin-B-Komplex, etc.) ergänzen.
Bei einer deutlichen Ausprägung des PMDS ist jedoch häufig auch der Einsatz von Antidepressiva notwendig. Hier besteht die Option, diese zum Beispiel nur in der zweiten Zyklushälfte (als von Eisprung bis Einsetzen der Regelblutung) einzunehmen. Oder es fällt die Entscheidung auf die durchgängige Einnahme eines Antidepressivums. Welche Einnahmeform und welches Präparat angewendet werden können, sollte in einem ausführlichen Beratungsgespräch geklärt werden. Dabei ist unter anderem ausschlaggebend, ob eine frühere Einnahme eines Antidepressivums erfolgte, ob ein Kinderwunsch besteht, ob Unverträglichkeiten bekannt sind, ob Vorerkrankungen vorliegen, das Alter der Patientin ist wichtig, etc.
Auch die Anwendung von Hormonpräparaten stellt eine weitere Option dar. Dabei spielt vor allem das Progesteron eine wichtige Rolle. Es gibt also verschiedene Behandlungsansätze, und das bedeutet, dass für jede Patientin eine individuelle Lösung gefunden werden muss. Entlastung und Hilfe bei PMDS gibt es!
Deine ersten Schritte, wenn du dir Unterstützung wünschst
Josianne: Das heisst, wenn ich als Frau merke, dass ich in der Zeit vor der Mens nicht nur schlecht gelaunt, sondern durch Ängste und depressive Verstimmungen wirklich stark beeinträchtigt bin, dann ist es an der Zeit, mir Unterstützung zu holen und eventuell auch über eine Therapie nachzudenken?
Martina: So ist es. Häufiger ist es einfacher, wenn die Frauen ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihrer Gynäkologin haben, dann wird die Situation dort meistens angesprochen und Unterstützungsmöglichkeiten können abgeklärt werden. Alternativ kann natürlich auch Kontakt mit einer Gynäkopsychiatrie oder einer frauenspezifischen Sprechstunde in einer psychiatrischen Klinik aufgenommen werden.
Josianne: Jetzt ist das ja in unserer heutigen Leistungsgesellschaft, die uns am liebsten immer gleich und immer 120% «on fire» sehen will, gar nicht so einfach, sich einzugestehen, dass Frau Hilfe braucht. Was würdest du einer Frau sagen, die für sich erkannt hat, dass professionelle Unterstützung hilfreich wäre, sich aber nicht traut bzw. nicht weiss, welche Anlaufstelle die richtige ist?
Martina: Ich sage den Frauen immer, dass eine Hemmung, dies anzusprechen, nicht notwendig ist, denn so viele Frauen sind davon betroffen, dass wir mittlerweile immer mehr spezialisierte Behandlungsangebote haben. Diese gäbe es nicht, wenn das PMDS nur in Einzelfällen vorkommen würde.
Wie Zykluswissen hilft, Symptome von PMS oder PMDS abzufedern
Josianne: Hohe Erwartungen, viele Rollen, denen wir gerecht werden müssen und diese vielleicht weibliche Scheu, sich selbst Raum zu nehmen und das eigene Wohlbefinden wichtig zu nehmen, machen es für Frauen doch aber schwer, sich zum Beispiel in eine Therapie zu begeben. Was sollte sich denn aus deiner Sicht insgesamt verändern, damit unsere Gesellschaft eine frauenfreundlichere wird?
Martina: Das ist eine gute Frage. Ich sehe wie du, dass «die Gesellschaft» häufig einen nicht akzeptablen Umgang mit Frauen zeigt. Das zeigt sich auch in unserem Umgang mit Mutterschaft, im Arbeitsverhältnis usw., jedoch sind wir Frauen eben auch Teil der Gesellschaft. Das heisst, dass es als erster Schritt vermutlich notwendig ist, dass wir Frauen uns zum Beispiel unseren eigenen Zyklus selbst zumuten. Also auch akzeptieren, dass wir eben nicht immer dieselben 100 % präsent sind, abliefern oder stressresistent sind. Und dass mitunter psychische Schwankungen, ein verändertes Körpergefühl und auch ein anderer Umgang mit dem sozialen Umfeld dazugehören. Ich finde, dass du dies auch gut in deinem Buch beschreibst.
Josianne: Inwieweit trägt Zykluswissen denn dazu bei, Beschwerden abzufedern bzw. präventiv zu wirken und Frauen gesund zu erhalten?
Martina: Zykluswissen ist absolut wichtig. Eben, damit wir Frauen nicht jeden Monat aufs Neue mit den Schwankungen überfordert sind, die der Zyklus mit sich bringt.
Josianne: Hast du ein persönliches Zyklus-Highlight, ein AHA-Erlebnis oder eine Erkenntnis, die für dich lebensverändernd war?
Martina: Tatsächlich habe ich erst nach der Geburt meines ersten Kindes bemerkt, dass plötzlich deutlichere Veränderungen im Zusammenhang mit meinem Zyklus auftraten. Diese Erfahrung teile ich mit vielen Frauen, denn häufig sind diese Schwankungen in jungen Jahren deutlich schwächer ausgeprägt. Obwohl ich dies theoretisch wusste, bereits viele Frauen begleitete, war auch ich über meine Empfindungen wie Dünnhäutigkeit, geringere Stresstoleranz, höheres Bedürfnis nach Ordnung, etc. verwundert. Ich brauchte ein paar Zyklen, um den Zusammenhang zu erkennen. Es hat mich wirklich erstaunt, dass auch ich meinem Zyklus im Trubel des Alltags eine zu geringe Bedeutung gab. Heute versuche ich diesen viel zentraler zu sehen und stelle meinen Patientinnen auch oft die Frage, ob sie denn zyklusabhängige Symptomschwankungen bemerken. Egal, mit welchen Beschwerden und Diagnosen sie zu mir kommen.
Josianne: Was sollte jede Frau über ihren Zyklus wissen, um sich in ihrer Haut wohlzufühlen und ein besseres Verständnis für sich selbst zu haben?
Martina: Zykluswissen sollte einfach sein. Du hast das in deinem Buch «Back to the Roots» so wunderbar dargestellt anhand der Jahreszeiten. Ähnliche Modelle gibt es auch von anderen Autorinnen, und ich finde diesen Zugang den besten. Wir verstehen, dass Winter eher dem sozialen Rückzug entspricht und Frühjahr eine Zeit des Aufbruchs markiert. Diese wunderschöne Darstellung des Zyklusmandalas gehört auf jeden Spiegel oder in jede Schranktüre geklebt, damit wir uns besser daran erinnern können!
Josianne: Vielen Dank für diesen Einblick in deine Arbeit und die Aufklärung.
Info-Box PMDS (prämenstruelle dystrophische Störung)
PMDS ist eine besonders schwere Form des prämenstruellen Syndroms (PMS). Hierbei erleben die betroffenen Frauen starke emotionale und körperliche Symptome, die sie in ihrem Alltag deutlich beeinträchtigen. PMDS ist im Diagnosemanual für psychische Störungen als eigenständige Diagnose anerkannt und betrifft etwa 3-8 % der menstruierenden Frauen. Die Hauptsymptome sind: ausgeprägte Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, depressive Verstimmungen, Ängste, starke Müdigkeit und Konzentrationsprobleme. Typischerweise treten die Symptome in der Lutealphase des Menstruationszyklus auf, also etwa 1-2 Wochen vor der Menstruation. Nach der Blutung klingen sie wieder ab.

Hoi, ich bin Josianne,
die Frau hinter Quittenduft. Als Menstruationskundige und Zykluscoach gebe ich seit über 10 Jahren mein Wissen rund um den weiblichen Zyklus weiter. So auch hier auf meinem Blog, der dich dabei unterstützen soll, besser zu verstehen, was es mit dem zyklischen Leben auf sich hat. Mal nachdenklich, mal frech, mal superklug – aber immer bloody lesenswert.
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Mit «Hello Zyklus!» Schritt für Schritt ins zyklische Leben eintauchen
Ich, Josianne, erkläre dir in 3 Schritten höchstpersönlich die Basics:
- Was es mit dem inneren Frühling und Sommer auf sich hat und was du in der ersten Zyklushälfte beachten darfst, damit du nicht ausbrennst und uf dä Felgä bei der nächsten Mens ankommst.
- Selbstbeobachtung: Das A und O im zyklischen Leben - wie du ganz easy damit beginnst und warum es dir hilft, ALLE Zyklusphasen smart für dich zu nutzen (inklusive Zyklusrad zum Ausfüllen.)
- Wie du dich so durch den inneren Herbst und Winter navigierst, dass du die Zeit vor und während der Mens nicht mehr absitzt, sondern in Zukunft bloody good meisterst.
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