Nishant, der neue Mann in meinem Leben
Dank euren Spenden konnte Nishant das Festival noch ein weiteres Mal durchführen und sogar auf weitere Städte und Dörfer ausweiten!
Nishant Bangera, 25, organisiert in Indien alljährlich das landesweite Menstruationsfestival Maasika Mahotsav. Auf verschiedenen Bühnen wird mit Tänzen, Liedern, Gedichten und Erzählungen das Tabu Menstruation gebrochen.
Mit Fussballspielen sammelt er Geld, um mit seinem Team an Schulen und in abgelegenen Gegenden Indiens Aufklärungsarbeit zu leisten, damit das Gesundheitsrisiko Menstruation endlich sinkt und die Frauen in Würde und Freiheit leben können.
Ich hatte die Ehre, Nishant zu interviewen und ich bin total froh, dass es Menschen wie ihn gibt! Das Interview als PDF zum Herunterladen findest du HIER.
Josianne:
Nishant, du bist ein junger Mann, der über Menstruationsgesundheit und ‑hygiene spricht und das in einem Land, in dem dieses Thema ein grosses Tabu ist. Du organisiert das jährliche Menstruations-Festival Maasika Mahotsav. Wieso machst du das?
Nishant: Für mich liegt die Motivation im Problem selber: Die Menstruation ist ein grosses Gesundheitsrisiko. Besser gestellte Frauen können bei Infektionen und Beschwerden zum Arzt, aber 80 % der ärmeren Bevölkerung haben diese Möglichkeit nicht. Viele Frauen leiden unter grossen Schmerzen, wiederkehrenden Infektionen und Unterleibskrankheiten.
Im Jahr 2014 kam ich das erste Mal mit den Problemen von menstruierenden Frauen in Kontakt, und erkannte, dass diese Probleme auch ihre Familien betreffen. Ich habe recherchiert und bin erschrocken, wie alles zusammenhängt: 90 % der Wegwerfbinden sind voll von schlimmen Giftstoffen, die wiederum vermehrt Infektionen hervorrufen. Ganz zu schweigen davon, dass es keine Entsorgungsstelle für gebrauchte Binden gibt und sie auch nicht biologisch abbaubar sind. Sie landen deshalb oft in offenen Abfallgruben oder am Strassenrand. Es ist also ein tiefer gehendes Problem, das zwar in erster Linie die Frauen betrifft, in zweiter Linie aber auch die Umwelt. Die patriarchale Struktur des Gesundheitssystems ermöglicht den Frauen kein gesundes Leben, und das darf nicht sein!
Eine weitere grosse Motivation ist das Lächeln der Frauen, wenn mein Team und ich ihnen von den Möglichkeiten der alternativen Menstruationshygiene erzählen, von Menstruationstassen und waschbaren Stoffbinden und auch wie ein Menstruationszyklus funktioniert. Wenn sie erfahren, dass die Menstruation eine natürliche Körperfunktion ist, für die sie sich nicht schämen müssen, sind sie erleichtert. Es ist doch ein Grundrecht für Frauen, über die eigenen Körperfunktionen Bescheid zu wissen! Die multinationalen Unternehmen mit ihren überteuerten Menstruationsprodukten haben kein Recht, den Frauen vorzuschreiben, welche (zu oft schädlichen!) Produkte sie benutzen müssen, indem sie die Alternativen verschweigen oder vom Markt drängen.
Josianne:
Gibt es ein persönliches Erlebnis, das du mit uns teilen möchtest? Gibt es in deiner Familie Frauen oder hast du Freundinnen, die unter dem Tabu leiden und warst du dadurch sogar selbst beeinträchtigt?
Nishant:
Als Kind durfte ich meine Mutter nicht berühren, wenn sie ihre Tage hatte. Ich war schon damals sehr neugierig und wunderte mich, warum meine Mutter mich, ihr eigenes Kind, an einigen Tagen nicht umarmen und berühren durfte. Das war für mich unverständlich!
Über die Regelblutung zu sprechen war ein riesiges No-go, man durfte nicht mal erwähnen, dass es sie überhaupt gibt. Als ich grösser wurde, hielt sich meine Mutter nicht mehr an das Berührungsverbot. So hat es mich nicht allzu stark betroffen. Und meine Mutter hatte zum Glück auch keine gesundheitlichen Probleme.
In der Schule hat unser Biologielehrer die Lektionen über die Fortpflanzung aus dem Stundenplan gestrichen. Ich und viele meiner Freunde hatten während Jahren überhaupt keine Ahnung, dass Mädchen menstruieren und weshalb.
In meiner 5‑jährigen Arbeit mit «A Period of Sharing» gab es immer wieder Erlebnisse, die mich tief beeindruckt haben. Eine junge Frau hatte sich uns nach einem unserer Seminare anvertraut. Sie litt seit Jahren unter Endometriose und hatte grosse Schmerzen. Weil aber in ihrer Familie alle Gespräche im Zusammenhang mit dem Unterleib verboten sind, litt sie immer mehr. Erst durch unsere Aufklärung konnte sie zum ersten Mal ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, ohne dass ihre Familie es erfuhr. Solche Erlebnisse prägen und motivieren mich, weiter zu machen!
Josianne:
Wie seid ihr organisiert? Hast du ein Team, das dich unterstützt? Sind Schulen und andere Organisationen eurer Arbeit gegenüber offen?
Nishant:
Als ich 20 Jahre alt war, gründete ich die MUSE Foundation, eine Organisation zur Förderung von rationalem Denken bei Jugendlichen. «A Period Of Sharing» folgte zwei Jahre später. Ich hatte also schon von Anfang an ein kleines Team, das diesen neuen Arbeitszweig unterstützte. Diese jungen Menschen sind fantastisch! Es macht mich unglaublich glücklich zu sehen, wie sie für das Richtige einstehen: das Recht auf gute Information und auf eine gesunde Menstruationshygiene.
An Anfang war es schwierig, Geld und Sponsoren für unsere Arbeit zu finden. Je bekannter wir werden, desto mehr haben wir die Möglichkeit, unsere Teams auszubilden und sie in die Dörfer zu schicken.
Josianne:
Ist es den jungen Mädchen peinlich, wenn sie dich, einen Mann, über die Menstruation und Menstruationstassen sprechen hören? Wirst du akzeptiert?
Nishant:
Am peinlichsten war es meinem Vater als ich im sagte, was ich mache (lacht). Zum Glück hat er nun seine Hemmungen in den Wind geschlagen. Nicht nur die Mädchen, sondern auch die jungen Männer sind bei dem Thema sehr gehemmt. Viele Männer denken, es gehe sie nichts an. Die jungen Frauen senken den Blick und versuchen ein Lächeln zu unterdrücken, wenn ich zum ersten Mal «Menstruation» sage. Aber sie gewöhnen sich schnell daran – das Eis ist meistens innerhalb von 2 Minuten gebrochen und sie beginnen, über die natürlichste Sache der Welt zu sprechen.
Josianne:
Wie reagieren Fremde darauf, wenn du erzählst, was ihr macht? Stösst du manchmal auf Ablehnung?
Nishant:
Die Leute sind grundsätzlich nicht sehr offen für meine Arbeit. Ich war zwar nicht erstaunt, aber trotzdem enttäuscht, als zwei Schulleiter meiner ehemaligen Schulen uns den Zugang zu ihren Schülern verweigerten. Wenn ich sage Schulleiter: das sind gebildete Männer mit einem hohen Abschluss, einem Master oder einem PhD. Sie realisieren nicht, was ihre blockierende Denkweise für Schaden anrichtet. Mit ihrem Nein stehlen sie über 1000 Mädchen das Recht auf fundierte Informationen über die gesundheitlichen Folgen ungenügender Menstruationshygiene und über nachhaltige Menstruationsprodukte.
Josianne:
Was sind deine grössten Schwierigkeiten, um dieses Tabu zu brechen?
Nishant:
In Indien hat das gesellschaftliche Umfeld einen grossen Einfluss darauf, ob eine individuelle Person in Freiheit leben kann oder nicht. Ich und meine Familie mussten oft mitanhören, wie Verwandte oder Nachbarn gegen meine Aufklärungsarbeit wetterten. Die Leute schämten sich für mich. Weil sie mich aber persönlich kannten, wurde das Tabu dann aber doch irgendwann gebrochen, und heute können wir offen darüber sprechen. Genau das war das Tabu, das ich als Erstes brechen musste: die gesellschaftlichen Fesseln, die einen Mann dafür verurteilen, dass er über die Menstruation spricht.
Es gibt noch eine zweite schwerwiegende Angelegenheit, die die Sache so kompliziert macht: eine Umfrage von uns in den Slums der grossen Städte hat ergeben, dass 48% der menstruierenden Frauen die Verbote stillschweigend einhalten: sie gehen nicht in Tempel, betreten die Küche des Hauses nicht und schlafen zum Teil auf dem Fussboden in ungeheizten Häusern. Der lange Arm des Patriarchats hat sie fest im Griff: sie halten sich von sich aus an diese unmenschlichen Regeln, weil sie (und ihre Männer!) nicht wissen, dass es anders sein könnte und sollte.
Hinzu kommt, dass die Frauen gar nichts über unsere Arbeit hören oder den Weg zu unseren Anlässen nicht finden, weil sie von ihren Familienoberhäuptern (Mann, Mutter, Schwiegermutter) daran gehindert werden. Ihre Familien denken, die Menstruation gehe niemanden etwas an und deshalb müsse auch nicht darüber gesprochen werden.
Genau hier kommt unsere Initiative, die Menstruation durch das Maasika Mahotsav (Menstruationsfestival) zu feiern, zum Zuge: Maasika Mahotsav ist ein Ort, an dem Frauen singen, tanzen und Theater spielen können. Alle Texte, Tänze und sonstigen Ausdrucksweisen haben die Menstruation zum Thema. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir das erste landesweite Menstruationsfestival ins Leben gerufen haben. Es ist ein unglaubliches Gefühl zu sehen, wenn die Frauen ihre Menstruation willkommen heissen und als glücklichen Teil ihrer selbst annehmen können. Das Festival findet jeweils Ende Mai statt und in diesem Jahr sind wir bereits in 6 Städten damit unterwegs!
Josianne:
Wie verbessert sich das Leben eines Mädchens oder einer Frau, wenn sie gut über die Menstruation aufgeklärt ist?
Nishant:
Es gibt Millionen von Frauen auf der Welt, die nicht wissen, woher das monatliche Blut kommt. Sie schämen sich dafür, finden ihren Körper schmutzig und leiden darunter. Sie akzeptieren ihre Scham stillschweigend und verdrängen die Schmerzen. Das geht doch nicht! Es ist wichtig, dass sowohl Frauen als auch Männer ein gutes Grundwissen und eine positive Einstellung zur Menstruation haben, damit die Frauen in Würde, Gesundheit und Freiheit leben können.
Josianne:
Wie finanziert ihr eure Arbeit?
Nishant:
Wir haben keine laufende finanzielle Unterstützung, der grösste Teil unserer Arbeit ist Freiwilligenarbeit. Durch unsere gute und wichtige Arbeit treffen wir zum Glück immer wieder auf Menschen, die uns unterstützen möchten. Wir sind froh, dass wir dank einigen Spendern auch in abgelegene Regionen Indiens zu unterprivilegierten Frauen reisen und ihnen von gesünderen Methoden erzählen können, damit sich auch für sie das Gesundheitsrisiko verringert.
Josianne:
Was motiviert dich, weiterzumachen?
Nishant:
Wir hören von sehr vielen Frauen, dass sie mit den nachhaltigen Menstruationsprodukten wie Menstruationstasse oder waschbare Baumwollbinden, total glücklich sind. Sie fühlen sich freier und haben weniger Entzündungen und Infektionen. Diese Rückmeldungen und die glücklichen Gesichter der Frauen sind die beste Motivation, um weiterzumachen!
Josianne:
Was ist deine Vision für eure Arbeit?
Nishant:
«A Period of Sharing» träumt von einer Welt, in der offen über die Menstruation gesprochen wird. Jede Frau muss Zugang zu Menstruationstassen, waschbaren Stoffbinden oder Wegwerfbinden und Tampons ohne gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe haben. Jede Frau soll gut informiert sein und eine Wahl haben!
Wir beabsichtigen, Maasika Mahotsav zu einem grossen, nationalen Festival zu machen, das auch die abgelegensten Regionen Indiens erreicht. Wir hoffen, dass wir mehr Gleichberechtigung in die Gesellschaft bringen können, damit eine Frau ohne Schamgefühle offen über ihre Sorgen oder Schmerzen sprechen und medizinische Hilfe bekommen kann. Eine alte Tradition, die den Frauen Schmerzen und Scham bereitet, darf keine Zukunft haben! Diese Frauen haben das Recht auf Gesundheit und Freiheit!
Hoi, ich bin Josianne,
die Frau hinter Quittenduft. Als Menstruationskundige und Zykluscoach gebe ich seit über 10 Jahren mein Wissen rund um den weiblichen Zyklus weiter. So auch hier auf meinem Blog, der dich dabei unterstützen soll, besser zu verstehen, was es mit dem zyklischen Leben auf sich hat. Mal nachdenklich, mal frech, mal superklug – aber immer bloody lesenswert.
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